Häufig wurde aufgrund der Muskelhypotonie und Entwicklungsverzögerung schon vor der Diagnose mit Physiotherapie begonnen, spätestens aber ab der Diagnose sollte es mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
Bobath und Vojta
Die meisten Patienten mit Dup15q-Syndrom erhalten Physiotherapie nach Bobath oder Vojta.
Bobath zielt v.a. auf die Motivation des Patienten ab und stützt sich auf die Theorie der Neuroplastizität (Umorganisationsfähigkeit) des Gehirns.
Vojta trainiert primär durch Reflexfortbewegung die elementaren Bewegungsmuster. Da die Physiotherapie nach Vojta sehr anstrengend ist, weinen die Babys bzw. Kleinkinder häufig dabei. Das kann für Eltern schnell beängstigend sein. Oft wird diese Therapie deshalb nur einige Wochen oder Monate durchgeführt und dann zu Bobath gewechselt. Selbstverständlich kann aber auch von Beginn an nach Bobath therapiert werden.
Egal ob Bobath oder Vojta, auch zu Hause sollte viel von den Übungen mit in den Alltag eingebaut werden, um die Bewegungsabläufe bei dem Kind zu verinnerlichen. Die Therapeuten lernen Angehörige an.
Galileo
Viele Dup15q-Betroffene haben durch die Muskelhypotonie eine verminderte Rumpfstabilität, besonders in der frühen Kindheit, sowie eine geringere Körperwahrnehmung.
Bei der Galileo Therapie wird der natürliche Bewegungsablauf des Gehens simuliert. Man stellt sich dabei auf die Galileo-Vibrationsplatte, die wie eine Wippe funktioniert. Durch die schnelle Wipp- Bewegung der Galileo Platte verursacht diese eine Kipp- Bewegung des Beckens wie beim Gehen, aber viel häufiger. Zum Ausgleich reagiert der Körper je nach Frequenzbereich mit rhythmischen, reflexgesteuerten Muskelkontraktionen im Wechsel zwischen linker und rechter Körperhälfte. Die Muskulatur muss also nicht bewusst aktiviert werden, sondern erfolgt über den so genannten Dehnreflex, was bei Personen, die nicht auf Anforderungen reagieren von Vorteil sein kann. Im Vergleich zu willentlich gesteuerten Bewegungen sind diese Reflexe wesentlich besser koordiniert und subjektiv mit geringerer Anstrengung verbunden. Durch die Galileo Therapie wird die Muskulatur von den Beinen bis hinauf in den Rumpf aktiviert, die Durchblutung, vor allem in den Beinen, erheblich gesteigert und der Stoffwechsel angeregt.
- Das Training hat durch die enorme Anzahl an Muskelkontraktionen neben Muskelaufbau auch eine positive Auswirkung auf Gleichgewicht und Wahrnehmung. Die Tonusregulierung verbessert sich.
- Das Training unterstützt die kognitive Arbeit des Gehirns durch eine erhöhte körperliche Aktivität.
- Das Training begünstigt die Vernetzung der Synapsen im Gehirn durch Bewegung.
- Das Training fördert die Balance und Koordination.
Es handelt sich um eine ganzheitliche, neuro-muskuläre Therapie, die die Motorik schult, neue Reize setzt, vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bietet und auch einen gewissen Spaßfaktor für die Kinder mit sich bringt. Der Zeitaufwand ist gering und kann gut in den Alltag eingebaut werden.
Zum Einsatz kommt das Galileo Gerät in Therapeutenpraxen, pädiatrischen Klinikbetrieben, sozialpädiatrischen Zentren oder im häuslichen Umfeld nach Einweisung durch eine Fachkraft. Es lohnt sich seine Physiotherapeuten gezielt darauf anzusprechen, denn viele haben zwar ein Gerät in der Praxis stehen, dies wird aber bei Kindern nicht standardmäßig eingesetzt.
Für die Therapie im häuslichen Umfeld bieten manche Klinikbetriebe oder sozialpädiatrischen Zentren ein Verleihsystem an. Da kann das Gerät beispielsweise für 10 Wochen oder mehrere Monate gegen eine Gebühr ausgeliehen werden. Eine weitere Möglichkeit ist es, sich über Stiftungen ein Gerät finanzieren zu lassen, da es bisher keine Hilfsmittelnummer dafür gibt. Die Unireha Köln bietet eine Intensivtherapie “Auf die Beine” an, in der die Galileotherapie eine wesentliche Rolle spielt. Die Wartelisten sind lang, eine frühzeitige Anmeldung nach Diagnose wird erfahrungsgemäss von betroffenen Familien empfohlen.